von Christophe Witz
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27 Feb., 2023
Die Pandemie scheint vorbei, die Masken fallen und an Tagen mit Sonnenschein kann man spüren, dass die schweren Zeiten möglicherweise bald der Vergangenheit angehören könnten. Spätestens wenn der Frühling einsetzt, werden wir unweigerlich damit beginnen zurück zu blicken und die Bilanz der letzten Jahre zu ziehen. Auch wenn es derzeit noch etwas zu früh dafür ist, möchte ich einen ersten Impuls setzen, wie eine Bilanz aus meiner Sicht aussehen könnte. Inspiriert wurde ich durch ein Buch über die Corona Situation, welches ich unten als Quelle angebe. Hier zwei, recht willkürlich gewählte Zitate daraus, die mir beim Lesen gut getan haben. >> Die ablehnende Haltung einer Person [zur Maske] kann viele Gründe haben, doch wahrscheinlich kreist sie um eine bestimmte Vorstellung des eigenen individuellen Körpers, seines Verhältnisses zu anderen, der Traditionen, die ihn intelligibel gemacht haben, sowie um einen gleichermaßen hartnäckigen Einwand gegen die Tatsache, dass sich die Wirklichkeit in Wahrheit völlig anders gestalte, als sie glauben will. Die epidemiologische Realität der Pandemie wirft die Grenzen zwischen Individuum und Gruppe, zwischen Innen und außen über den Haufen, und für Selbstidentitäten, die auf stabilere Grenzen und subjektiv bedingte Realitäten angewiesen sind, mag dies durchaus beunruhigend sein. Für andere hat die Berührungslosigkeit der Maske, der Rückzug des Gesichts aus dem persönlichen Kontakt, zu einer anderen Art von prophylaktischem Ethos geführt, dem zufolge die Biologie ideologische Überlegungen aussticht und Berührungslosigkeit gerade eine Intimität mit Fremden impliziert.<< >>Bei den pandemischen Maskenkriegen geht es im Kern um das richtige Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft, um die Frage, was es bedeutet, wenn Letztere Forderungen an Ersteres stellt, und ob die damit einhergehenden Verantwortlichkeiten eine Verletzung der Souveränität darstellen oder die Durchsetzung eines geeigneten epidemiologischen Blicks der Gesellschaft. Umstritten bei den Maskenkriegen ist die Verortung des Risikos. Einige, die sich weigern, eine Maske zu tragen, werden die eine oder andere Version der Behauptung vorbringen, dass sie selbst die Risiken eingingen, es daher eine individuelle Entscheidung sei und dass die gesellschaftliche Norm oder das Gebot, eine Maske zu tragen, dementsprechend wieder zur Privatsache werden solle. Dass das maßgebliche Risiko offensichtlich kein privates ist, scheint ihrem Denken aufrichtig entgangen zu sein, und diese Tatsache legt nahe, dass das epidemiologische Modell ihnen womöglich prinzipiell undenkbar ist, sei es buchstäblich oder moralisch.<< Quelle: Benjamin Bratton: „Die Realität schlägt zurück: Politik für eine postpandemische Welt“ (2021) Ich stimme diesen Aussagen aus ganzem Herzen zu. Bleibt nur noch anzumerken, dass nach meiner Beobachtung es vor allem Menschen mit Esoterik Hintergrund waren, denen während der Pandemie einige Dinge „aufrichtig entgangen“ waren. Was ich über Esoterik und Spiritualität denke, habe ich an andere Stelle geschrieben. Das sollte vorerst genügen. Christophe Witz, 27. Februar 2023