Das Themengebiet Psychologie, Psychotherapie und Spiritualität hat gewisse Überschneidungen aber Mißverständnisse untereinander. Heute möchte meinen Blog nutzen um meine Sichtweise der Angelegenheit darzustellen.
Ich verstehe unter Spiritualität eine Offenheit für Wahrnehmungen die sich durch Anwendung spiritueller Praktiken erzielen lassen. Dazu gehört Meditation oder Gebet oder bestimmte Körperhaltungen (Yoga), die unser Bewußtsein für Bereiche öffnet die im stressigen Alltag sonst nicht wahrgenommen werden.
Die sich aus diesen Praktiken ergebenden Bewußtseinsveränderungen sind recht unterschiedlich, zumindest soweit meine Erfahrungen reichen. Meist ändert sich die Wahrnehmung von Selbst und Körper, man spürt sich und seine Umgebung aus einer neuen Perspektive und kann daraus Rückschlüsse über den eigenen „Normalzustand“ ableiten.
Hier einige Dinge die ich als Psychologie Student regelmäßig geübt habe:
- eine morgendliche Serie von Qi Gong
Übungen die ordnend, stärkend und beruhigend wirken.
- In jugendlichem Leichtsinn habe ich einmal an einer Marihuana Zigarette gezogen und eine Änderung meines Bewusstseins feststellen können. Und Hunger auf Erdbeerjoghurt.
- Auch die Wolkenmeditation
habe ich damals geübt, also „nur“ sitzen und auf den Atem achten und auftauchende Gedanken auf Wölkchen setzen und zuschauen wie sie vorbeiziehen.
- Fünf Tage Fasten mit nur Saft, Wasser und Tee, keine feste Nahrung.
- Durch Freunde habe ich das indianische Medizinrad kennen gelernt, ich verbinde damit aber keine spirituelle Praxis im Sinne einer Anwendung. Das Medizinrad ist mehr wie ein Kompass nutzbar, zur Orientierung. Mehr dazu in einem späteren Blog.
- Mehrmals in der Woche Spaziergänge/ Wanderungen im Pfälzer Wald am Trifels.
Wenn man eine oder mehrere dieser Praktiken eine Zeitlang übt, stellen sich Veränderungen im Erleben und Verhalten ein. Welche sind das? Nach meiner Erfahrung wird man dadurch besser in der Wahrnehmung des „Hier und Jetzt“in Bezug auf Selbst und Körpergefühl, es klärt sich die Wahrnehmung und wird „realer“, durch die Erfahrung von verschiedenen Perspektiven fühlt man sich mehr mit der Wirklichkeit verbunden, verwurzelt und einverstanden mit der eigenen Geschichte und Vergangenheit. Im günstigsten Fall können sogar Ausblicke auf Zukünftiges und gerade im Entstehen Begriffenes entstehen.
Das ist, behaupte ich, auch der Grund warum sich „Achtsamkeits“ Seminare bei Managern gerade so gut verkaufen: die Wirtschaft hofft durch Spirituelle Praktiken künftige Entwicklungen früher als andere zu bemerken um einen Marktvorteil zu haben. Gehen wir einfach mal davon aus, dass da was dran ist und Menschen mit „Spirtualität“ feinere Antennen haben für manche Ausschnitte der Realität (inklusive dem was gerade erst im Kommen ist).
Wie kann es aber sein, dass „spirituelle“ Menschen (ich nenne bewusst keine Namen) manchmal trotzdem völligen Unsinn reden?
Das könnte daran liegen dass es eine Fehlerquelle gibt die beim Transfer von spirituellen Erfahrungen in die sprachliche Kommunikation zu beachten ist: man nennt es die „Prä-Trans Verwechslung“ (Wilber, 1982). Die Wahrnehmung die durch die spirituelle Praxis erzeugt wird, unterliegt noch immer der Interpretation durch unseren Verstand, um kommuniziert werden zu können. Sie ist nicht einfach gegeben sondern wird wie alle Sinneseindrücke von unserem Großhirn konstruiert und in Kontext gesetzt. Wenn mein Weltbild magisch und mystisch ist, wird meine Interpretation der spirituellen Erfahrung es ebenfalls sein. Wenn mein Weltbild konstruktivistisch und (post)modern ist, wird meine Interpretation der spirituellen Erfahrung es ebenfalls sein. Wir entkommen unseren eigenen Vorannahmen nicht.
Um es nochmal deutlich zu sagen: Liebe „spirituelle“ Mitmenschen! Egal welche Erfahrungen ihr mit spirituellen Praktiken gemacht habt, ihr seid noch immer selbst verantwortlich für alles was ihr daraus ableitet und alles was ihr sagt und tut.
Ich habe nichts gegen Magie und Mystik, ich schaue mir gerne Fantasy Shows auf Netflix an. Aber eben als Fantasie und Fiktion! Als Weltbild ist das doch etwas arg. Regression kann im Rahmen einer Psychotherapie sehr heilsam sein, aber als reiner Selbstzweck taugt es nicht.
Drum prüfe also, ob Dein Weltbild Ähnlichkeit mit dem eines Fünfjährigen hat, und Überdenke es.
Bitte, Bitte.